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Die Blütezeit der Schweinfurter Gautracht

Posted by on 25. September 2020

Teil 3 der Trachtenserie

Dass sich Trachten immer wieder verändert haben und Mode auch in der Tracht eine gewisse Rolle spielt, haben wir in den vorhergehenden Artikeln dieser Serie bereits erklärt. Modische Veränderungen haben sich aber immer in großen Zeiträumen von 10-20 Jahren abgespielt und so hat sich die Tracht im Schweinfurter Gau oder auch im Werntal ab 1890 zu einer neuen schlichten und gleichsam prächtigen Form weiterentwickelt. Schlicht bezogen auf den eher barocken Stil der 1850-er Tracht und prächtig bezogen auf Stoffqualitäten wie Samt und Seide.

Wie bei der höfischen Kleidung haben sich auch die Trachten der Bauersfrauen zu meist schwarzen Kleidern entwickelt. Der Körres (=Oberteil der Festtracht) und der Rock sind zwar immer noch 2 getrennte Kleidungsstücke aber nunmehr aus dem gleichen Stoff. Man nennt diese Trachten daher auch „Körresklääder“.

Die sogenannten Körreskläder bestehen aus dem Körres und dem Rock. Darüber werden ein Schultertuch und eine Schürze getragen. Die Farben der Schürzen und Tücher sind auf den Anlass und den kirchlichen Kalender abgestimmt. An bestimmten Feiertagen z.B. Weihnachten, Ostern Pfingsten, Fronleichnam wurden vornehmlich rote Tücher und Schürzen angezogen. Wenn wir von rot sprechen, sind immer schwarzgrundige Muster mit eingewebten roten Mustern gemeint. Das können Blumenmuster aber auch stilistische Ornamente sein. In der Karwoche wurde z.B. lila oder blau getragen. Zur Beerdigung und auch in der Trauerzeit danach komplett schwarz. Nach der Trauerphase gab es die Zeit der Abtrauer oder Nachtrauer. Hier wurden dann statt komplett schwarz schon auch gedeckte Farben getragen (blau, lila, grün, braun).

Doch zurück zu den Körreskläädern. Während bei der Tracht um 1850 der Rock aus einem roten mit Seidenborten besetzten Woll-Leinen-Gemisch bestand und dazu ein mit Goldborten besetzter Seiden- oder Tuchkörres getragen wurde, wurden bei den Körreskläädern für Rock und Oberteil die gleichen Stoffe verwendet. Es gab Seide mit eingewebten bunten Mustern und Blumen, einfarbiger Seidentaft, Atlas, Samt, Woll-Seide-Jacquard oder auch Wollstoff. Die meisten Kärreskläder waren schwarz. Es gab aber auch ganz exotische Farben wir blau, lila, weinrot, pink, grün, curry, braun. Manche Röcke waren mit 1-3 schwarzen umlaufenden Samtbändern versehen. Nach der 1850-er Tracht, mit eng in Falten plissierten Röcken wurden in der Übergangszeit zur neuen Tracht (1920) zunächst lange gezogene (gestiftelte) glatte Röcke (darunter auch noch der Wattrock) getragen. Ab 1910 kamen dann die gut 10 cm kürzeren Faltenröcke auf. Die Falten wurden mit der Hand gebügelt (Faltentiefe 1,5-3 cm). Bevor der Rock im Bund gefasst wurde, waren die Röcke noch mit ca. 3 Reihen gestiftelt. Vorne (unter der Schürze) sind die Röcke stets glatt und auch nicht gestiftelt.

Die Körres der alten Tracht waren aufwändig mit Goldborten am Ausschnitt verziert, denn die Schulter-Tücher wurden nach hinten geschlungen. Bei der neuen Tracht dagegen wurden die Tücher über der Brust gekreuzt und in den Schürzenbund gesteckt, so dass man den Ausputz an der Brustseite nicht mehr sehen konnte. Dennoch haben die Schneiderinnen in der Zeit weiterhin aufwändige Verzierungen angebracht. Aus dem gleichen Stoff wie der Körres wurden Smok-Arbeiten erstellt. Diese Borten wurden um den Brustausschnitt angebracht. Die „Froschmöllesbördli“ (Froschmäulchen-Borten) wurden am Rücken zum andeuten der Bogennaht angebracht. Die unteren Ärmel der Körres wurden in allen Dörfern des Schweinfurter Gaues mit einer aufwändigen und bunten Nähmaschinen-Stickerei verziert. Hier bildet Geldersheim eine Ausnahme. Die Schneiderin in Geldersheim hat bei der Gestaltung der Körresärmel die Machart der alten Tracht beibehalten und auf der Oberseite des Unterarms kleine Fältchen gelegt. Um die Bündchen wurde ebenfalls eine Smokarbeit angebracht.

Hieraus kann man übrigens erkennen, dass es in den Dörfern Schneiderinnen gab, die fürs ganze Dorf genäht haben, denn fast alle Kleidungsstücke aus einem Dort tragen die gleiche „Handschrift“. Es hab also örtliche Unterschiede, der wohl deutlichste Unterschied ist bei der Geldersheimer Tracht anzumerken. Doch auch bei manch anderen Dörfern gibt es z.B. einen Bund, der vorne extra zu schließen war. Im Wesentlichen sind die Körres aus allen Dörfern der Schweinfurter Gautracht oder Werntaltracht gleich.

Unter dem Körres trug man entweder das Mieder („Leible“ oder „Korsettle“ genannt), das am Rücken über dem Gesäß ein wattiertes Polster hatte, auf dem die Unterröcke und der Oberrock saßen. Vorne war es spitz nach unten zulaufend geschnitten, so dass es gut im Rockbund gehalten hat. Der Körres ist etwas kürzer und wurde nie in den Rock gesteckt. Wenn auch die Mieder weiter ausgeschnitten waren als der Körres, so trug man darunter bis zum Hals hochgeschlossene weiße Leinen- oder Baumwollblusen („Hömmer“ genannt). Mieder wie auch Körres waren außerdem flach geschnitten, so dass die Brust keinesfalls betont wurde.

Bei den Schürzen und Tüchern gab es ebenfalls verschiedene Stoffqualitäten. Für Feiertage Seide, für Sonntage Seide und Wollmousselin, für die „Werktagskirch“ und „Frömm-naus“ (z.B. Einkäufe in der Stadt) Wollmusselin und für die Feld-, Stall- oder Hausarbeit meist blaue Baumwollschürzen. Man bedenke, dass die Trachten in der Regel nicht waschbar waren. Nur die blaue Arbeitstracht sowie die weißen Unterröcke und Hemden (auch bei der Frauentracht sprach man von Hemden und nicht von Blusen wie heute) waren waschbar. Die guten Trachten wurden nach dem Kirchgang gelüftet und aufgeräumt. Man trug zuhause die waschbare Werktagstracht. Eine Frau hatte sich früher mehrfach am Tag umzuziehen, denn die Tätigkeiten wechselten von Stallarbeit, Haushalt und Gottesdienst.

Interessant ist auch die urfränkische Kopfbedeckung: Das Kopftuch. Wie in vielen Religionen üblich bedecken verheiratete Frauen ihr Haupt zumindest beim Kirchgang. So ist das auch bei den Trachten im Schweinfurter Gau in den katholisch geprägten Dörfern üblich gewesen. Junge unverheiratete Mädchen trugen keine Kopfbedeckung. Lediglich zur Kommunion, zur Firmung, als Marienbildmädchen an Fronleichnam und zuletzt zur Hochzeit trugen die ledigen einen Myrtenkranz. Ab der Hochzeit aber ein Kopftuch, das unter dem Kinn zu einer lockeren Schluppe gebunden war. Die Bänderhaube stammt eigentlich aus der früheren Trachtenepoche. Sie wurde nur zu ganz besonderen Repräsentationszwecken auch zu den Körreskläädern getragen. Heute ist bei den Trachtenvereinen die Bänderhaube üblich und ein Kopftuch sieht man eigentlich nicht mehr.

Besonders ausgeprägt ist der Biedermeier-Schmuck aus sog. Schaumgold. Die Frauen trugen Ohrringe, Fingerringe (durchaus an mehreren Fingern), manchmal bis zu drei Broschen und das goldene Kreuz, das meist an mehreren silbernen Erbsketten hing. Armbanduhren gab es zur Tracht nicht. In den 1920-er Jahren kamen kleine Taschenuhren als Modeerscheinung zur Tracht auf. Sie wurden ebenfalls an einer Halskette befestigt („Schieberkette“) und in einem kleinen Täschchen, das im Bund des Körres versteckt war, getragen.

Männertrachten gab es zu dieser Zeit nicht mehr. Die Männer trugen ab 1900 bis 1920 zu festlichen Anlässen den schwarzen Gehrock, darunter ein weißes Hemd mit Fliege oder Krawatte, schwarze Weste und einen Zylinder. Später einen meist schwarzen Anzug. Sie waren nicht mehr der Heimatregion zuordenbar, sondern komplett „städtisch“ modern gekleidet. Während die Frauen durch ihre Kleidung noch regional zuordenbar waren.

In der nächsten Folge in einer der kommenden Ausgaben geht es um die weitere Entwicklung der Tracht bis heute. 

Oliver Brust, 16.09.2020

Bildunterschriften

Mädchen und zwei Frauen: Foto O.Brust – Von links nach rechts: Mädchen mit Myrtenkranz und Festtracht, verheiratete Frau mit Festtracht, verheiratete Frau mit Abtrauertracht
Historisches Brautpaar – Archiv Heimatverein
Besonders auffällig bei der Braut ist der Schmuck. Neben dem goldenen Kreuz trägt sie die kleine Taschenuhr an einer Schieberkette. Der Bräutigam ist schon im Anzug gekleidet.
Historisches Porträit – Archiv Heimatverein
Bei dieser historischen Aufnahme fallen der Schmuck (goldenes Kreuz, Brosche(n) und die Ohrringe) sowie die aufwändige Frisur auf.
Frau mit roter Schürze – Foto O. Brust
Ein versteckter Schatz ist das auf Samt gestickte „Gern-Daschla“. Eine flache Tasche zum umbinden, die immer von der Schürze verdeckt war. „Gern“ ist ein alter Dialektausdruck für Schoß.
Frau mit rosa Schürze – Foto O. Brust
Die junge Braut trägt den Myrtenkranz und einen typischen Geldersheimer Körres, denn die Ärmel sind nicht bunt verziert. Die in den anderen Orten üblichen Körres mit den bunt verzierten Ärmeln bezeichneten die alten Geldersheimerinnen als „frömme Moudi“.
4 Frauen mit Kopftuch – Archiv Heimatverein
Die Frääli sind noch echte Trachtenträgerinnen gewesen, die die Tracht auch im Alltag trugen. Bei Ihnen sieht man das für die fränkische Tracht typische Kopftuch (die sog. „Hulla“). Die Aufnahme entstand nach dem Schützenumzug 1989 in Geldersheim.
4 Personen von hinten – Foto O.Brust
Auf diesem Foto kann man die Veränderung der Tracht am besten erkennen. Die historische Tracht bei Mann und Frau um 1850 und die „neue“ Tracht um 1920. Die Männer tragen schon keine Tracht mehr, sondern Gehrock und Zylinder.

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